Das Gedenken in der Bundesstadt Bonn an Widerstand und Verfolgung in der NS-Zeit zeichnet sich durch eine vielschichtig ausgestaltete Erinnerungslandschaft aus. Zwei Hauptstrukturen haben sich herausgebildet: eine lokale und eine ehemals hauptstädtische Gedenkkultur.
Im Mittelpunkt der lokalen Gedenkinfrastruktur steht seit 1996 die Gedenkstätte für die Bonner Opfer des Nationalsozialismus in der Franziskanerstraße. 2005 überarbeitet, dokumentiert die Dauerausstellung in drei Räumen „Verfolgung, Leid und Ermordung der Bonner Opfer des Nationalsozialismus. Sie zeigt die Willkür des NS-Regimes und ihre Auswirkungen auf den Alltag, aber auch Versuche von Widerstand“ in Bonn (aus: www.ns-gedenkstaetten.de/nrw/bonn/besucherinformationen.html). Ein Gedenkraum ergänzt die Dauerausstellung.
Eines der ersten Mahnmale der Stadt ist der von Jakobus Linden 1950 geschaffene, 1997 ergänzte Gedenkstein im Bonner Hofgarten . Auf der ersten Inschrift von 1950 wurde 600 nicht namentlich genannte Bonner Bürger als Opfer des Nationalsozialismus gedacht. 1997 erfuhr diese Inschrift eine Ergänzung dahingehend, dass nunmehr differenzierter von „tausenden ermordeten und überlebenden Opfern“ des Nationalsozialismus gesprochen wurde und die unterschiedlichen Verfolgtengruppen genannt wurden.
An diversen Stellen innerhalb des Stadtgebiets wird an den jeweiligen Tatorten den verschiedenen Verfolgungsereignissen durch Mahnmale gedacht. Beispielsweise am Kreuzbergweg 5 dem Sitz der Gestapo, am Hauptbahnhof der Verfolgung der Sinti und Roma vor dem Ratssaal in Form eines Gedenkbuches den verfolgten Abgeordneten der Stadt , hingerichteter Zwangsarbeiter in der Finkenbergstraße oder einem Zwangsarbeiterlager auf dem Gelände der Jutespinnerei in der Siegburgerstraße 42, der Euthanasieverbrechen in der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt (heute Rheinische Landeskliniken) in der Kölnstraße 218, dem Widerstand z.B. von Marie Kahle , die jüdischen Mitbürgern half, durch einen Straßennamen und eine Tafel in der Bonngasse oder verfolgten Universitätsprofessoren wie Felix Hausdorff und Otto Toeplitz in dem Mathematischen Institut in der Wegelerstraße 10.
Der NS-Judenverfolgung wird in der Stadt an diversen Stellen gedacht. Genannt seien hier nur das Mahnmal an der Kennedybrücke zur Hauptsynagoge, ein Säulenfragment davon heute in der Tempelstraße oder das Mahnmal an der ehemaligen Synagoge in der Siegfried-Leopold-Straße 44 (Ecke Friesenstraße) in Bonn-Beuel.
Neben Straßennamen, die an lokale NS-Verfolgte erinnern und Schulnamen, verknüpfen des Weiteren mittlerweile annähernd 200 Stolpersteine die NS-Verfolgungsgeschichte mit konkreten Namen der Opfer in der Stadt (Link zu pdf-Dokument Stolpersteine).
Einen breiten Raum nimmt das Gedenken an den II. Weltkrieg ein. Mitunter wurden ähnlich wie bei den zuvor erwähnten Beispielen an Orten des Geschehens entsprechende Mahnmale errichtet wie z.B. an und in der evangelischen Kreuzkirche am Kaiserplatz, die an die Zerstörung der Kirche erinnern und im Innern einen Luftschutzkeller zeigen und an den Tod von 230 Menschen bei einem Bombenangriff am 6. Januar 1945 in der Wilhelmstraße 21 erinnern. Zur Gedenkinfrastruktur an den II. Weltkrieg gehören ebenfalls die vielen, über das Stadtgebiet verteilten Denkmäler, die ausschließlich den II. Weltkrieg thematisieren. Besonders problematisch sind Denkmäler, die den Kriegstoten des I. und II. Weltkrieg zusammen gedenken. Der Nationalsozialismus als Ursache des II. Weltkriegs wird ausgeklammert. Nationalsozialismus und II. Weltkrieg werden entkoppelt. Die Zusammenführung von I. und II. Weltkrieg-Gedenken hat als Ergebnis des Weiteren ein diffuses „Weltkriegsgedenken“ zur Folge, das nicht nur die historischen Ereignisse verklärt, sondern auch schuldentlastend wirkt, da die schuldhafte Verstrickung im Nationalsozialismus ausgeklammert wird.
Äußerst kritisch zu beurteilen sind jedoch Denkmäler, die nach dem I. Weltkrieg geschaffen wurden und nach 1945 auf die Kriegstoten des II. Weltkriegs weitergewidmet wurden. Diese Denkmäler übernehmen die typische, zumeist militaristische Ikonografie der Denkmäler nach dem I. Weltkrieg auch für die Kriegstoten des II. Weltkriegs. Zu den umstrittensten gehören die Gedenkanlage am Baumschulwäldchen, Beethovenplatz und das Denkmal auf dem Friedhof in Poppelsdorf , mit der Inschrift „Unseren Helden 1914-1918, 1939-1945“. Ebenfalls erwähnt werden sollen die vielen Kriegsgräberanlagen, die über das Stadtgebiet verteilt sind. Eine der größten Anlage befindet sich auf dem Nordfriedhof .
Auch den Vertriebenen und den Heimkehrern wurden in Bonn entsprechende Mahnmal gesetzt: Den Vertriebenen z.B. am Erzbergerufer/Fritz-Schröder-Ufer und an drei verschiedenen Stellen in der Stadt stehen Mahnmale des Verbandes der Heimkehrer, u.a. in Mehlem an der Mainzer Straße 52-56. Eine, auch auf das gesamte Rheinland gesehen, ungewöhnliche Häufung.
Letztere beide Gruppen verweisen bereits auf die anfangs erwähnte hauptstädtische Gedenkkultur, da sowohl der Bund der Vertriebenen als auch der Verband der Heimkehrer in Bonn ihre Bundes-Geschäftsstellen besaßen und besitzen und die Mahnmale ansonsten nicht mit der lokalen NS-Geschichte verknüpft sind.
Diese Hauptstadtgedenklandschaft ist zum Teil zurückgebaut (das Mahnmal des Justizministeriums befindet sich heute in Berlin), zum Teil noch erhalten. Hierzu gehören die Gedenktafel am Erich-Ollenhauer-Haus , Ollenhauer Straße/Friedrich-Ebert-Allee, eine Gedenktafel im Auswärtigen Amt , Adenauerallee 101, eine Gedenkplatte am früheren Abgeordnetenhaus „Langen Eugen“ (heute UN-Gebäude), die an die Mitglieder des Deutschen Reichstages erinnert, die Opfer des NS wurden. Diese Tafel ist heute faktisch der Öffentlichkeit entzogen.
Hans Hesse