Zwei Gedenkinseln prägen die Gedenktopografie des Landkreises Wesel, der ca. 314 Gedenkobjekte umfasst: Moers und die Stadt Wesel. Alle anderen Städte und Gemeinden des Landkreises weisen keine signifikanten Markierungen innerhalb ihrer Gedenklandschaften auf; zwei Städte haben keine Gedenkobjekte zur NS-Zeit. Nahezu die Hälfte aller Städte verfügen über die STOLPERSTEINE des Projektes von Gunter Demnig oder planen die baldige Verlegung (etwa in Moers). Die Erinnerung an die NS-Verfolgung der jüdischen Bevölkerung bewegt sich innerhalb einer Struktur, die für die Landkreise des Rheinlandes typisch ist. In erster Linie sind es ehemaligen Synagogen (Dinslaken (hier auch noch ein jüdisches Waisenhaus), Moers, Schermbeck) und/oder jüdische Friedhöfe (Hünxe, Moers, Rheinberg, Schermbeck, Wesel und Xanten), an denen das Gedenken an die NS-Verfolgung verortet wird, ergänzt durch Gedenkobjekte an oder in den Rathäusern (z.B. Xanten).
Zu den Besonderheiten des Landkreises gehört, dass in Alpen einem evangelischen Pfarrer gedacht wird, wenngleich die Gedenkinfrastruktur zum katholischen Widerstand in der NS-Zeit wesentlich ausgeprägter ist. Allein vier Gedenkobjekte erinnern an Nikolaus Groß (Dinslaken und drei allein in Voerde). Und im Xantener Dom befinden sich die Gräber mehrerer NS-Verfolgter und eine entsprechende Gedenkstätte. Des Weiteren ist in Dinslaken über die STOLPERSTEINE hinaus die Verlegung von so genannten Mahnsteinen geplant. In Voerde verortet ein « alternativer Weg zu Stätten der Verfolgung und des Widerstandes in der NS-Zeit » – ähnlich wie in Aachen – die NS-Geschichte der Stadt. Eine Station dieses Wegs markiert ein Zwangsarbeiterlager in Voerde.
Eines der frühesten Gedenkobjekte, die an NS-Verfolgung und Widerstand erinnern, steht in Moers auf dem jüdischen Friedhof in der Klever Straße. Bereits im September 1948 wurde der Gedenkstein eingeweiht. Diese frühe Einweihung kann als ein Zeichen für die spätere Entwicklung in Moers genommen werden. Die Stadt verfügt über eine ausdifferenzierte Gedenklandschaft zur NS-Zeit, die in dieser Dichte und unter Berücksichtigung der Größe der Stadt ein Alleinstellungsmerkmal im Rheinland darstellt. Allein in Moers-Stadt sind 19 Gedenkobjekte zu finden, wobei die diversen Straßennamen (Stand Ende 2012: 13, weitere sind geplant) lokaler NS-Verfolgter nur mit zwei Gedenkobjekten einfließen. Insgesamt gibt es annähernd so viele Gedenkobjekte zur NS-Zeit wie zu den Weltkriegen (die Straßennamen nicht mitberücksichtigt!). Dieses Verhältnis wird von keiner anderen Stadt im Rheinland erreicht. Und es ist zu erwarten, dass sehr bald die Gedenkobjekte zur NS-Zeit in der Mehrheit sind, da seit dem 19. Oktober 2011 per Ratsbeschluss auch in Moers STOLPERSTEINE verlegt werden sollen.
In der Stadt Wesel gibt es über die Gedenkinfrastruktur zur NS-Verfolgung der jüdischen Bevölkerung hinaus noch Straßennamen für NS-Opfer, zwei Gedenkobjekte, die an Flucht und Vertreibung erinnern, aber, um den Unterschied zu Moers aufzuzeigen, insgesamt erinnern noch nicht einmal 25% aller Gedenkobjekte an die NS-Zeit. Diese stärkere Betonung des Weltkriegsgedenkens, wie sie die Regel in den Landkreisen des Rheinlands ist, findet z.B. darin eine Bestätigung, dass die Stadt über jeweils zwei Befreiungs- und Einigungskriege-Denkmäler verfügt.
Hervorhebenswert für den Landkreis Wesel insgesamt sind darüber hinaus drei Gedenkobjekte, die an die beim so genannten Kapp-Putsch im März 1920 von Putschisten erschossenen Kämpfer (Hamminkeln), an die Rheinlandbesetzung (Rheinberg) und an ein Kriegsgefangenenlager für deutsche Wehrmachtssoldaten (Wesel, im Rheinland nur noch in Mönchengladbach-Wickrath zu finden) erinnern.
Die Gedenktopografie zu den Weltkriegen des Landkreises ist ähnlich komplex strukturiert, wie sie für das gesamte Rheinland typisch ist. Ungewöhnlich ist die Häufung von Einigungskriege-Denkmälern (acht, davon alleine drei in Voerde und zwei in Wesel). In Hamminkeln-Meerhoog steht das vermutlich älteste ‘Kriegerdenkmal’ des Rheinlands. Es erinnert an eine Schlacht im Jahr 1758. Zwei Befreiungskriege-Denkmäler in der Stadt Wesel ergänzen diese ungewöhnliche Gedenklandschaft. Hinzuweisen ist außerdem auf ein I. WK-Denkmal, eingeweiht 1927, von Arno Breker (Rheinberg-Budberg). Zu den sehr seltenen Ausnahmen gehört zudem ein I. WK-Denkmal, das an gefallene jüdische Soldaten in Wesel erinnert. Auffällig ist des Weiteren, dass lediglich in zwei Städten (Wesel und Hamminkeln) dem Thema Flucht und Vertreibung gedacht wird.
Hans Hesse