Der Rhein-Sieg-Kreis ist mit 438 Gedenkobjekten der zweitgrößte Landkreis im Rheinland hinter dem Landkreis Düren. Aber wie im Landkreis Düren ist im Rhein-Sieg-Kreis das Gedenken an die NS-Verfolgung und den Widerstand gegen das NS-Regime nicht gleichmäßig über die Gemeinden und Städte verteilt, sondern es gibt Gedenkinseln, die über eine signifikant ausgeprägtere Gedenkinfrastruktur zu NS-Verfolgung und Widerstand verfügen als die anderen Städten und Gemeinde im Landkreis. Zu diesen Städten zählen Bornheim und Siegburg, des Weiteren mit Abstrichen Königswinter, Troisdorf und Windeck.
Die unterschiedliche Ausprägung der Gedenklandschaft im Landkreis lässt sich auch daran ablesen, dass es zwei Städte ohne jegliche Gedenkobjekte an die NS-Zeit gibt, Städte, die lediglich über die STOLPERSTEINE des Künstlers Gunter Demnig verfügen (Eitorf und Lohmar – dies ist eine ungewöhnliche Feststellung, da bisher das STOLPERSTEIN-Projekt immer zeitlich anderen Gedenkobjekten nachgelagert gewesen ist, hier jedoch die STOLPERSTEINE die ersten Gedenkobjekte in der Stadt sind, wie z.B. in Alfter, wo der jüdische Friedhof in das Gedenken mit einbezogen ist), und Städte, die über eine ausdifferenzierte Gedenklandschaft zur NS-Verfolgung der jüdischen Bevölkerung verfügen. Hierzu gehören z.B. Bad Honnef, Hennef und Niederkassel. Gemeinsames Merkmal dieser Städte ist es, dass das Gedenken mit den Gedenkobjekten an den jüdischen Friedhöfen, ehemaligen Synagogen, an Rathäusern o.ä. repräsentativen Plätzen und durch STOLPERSTEINE vor den ehemaligen Wohnhäusern verortet ist.
In Bornheim befinden sich über diese, letztgenannte Gedenkinfrastruktur hinaus noch Straßennamen für Widerstandskämpfer und NS-Verfolgte, die Benennung von Einrichtungen und Institutionen mit entsprechenden Namen und ein Maximilian-Kölbe-Kirchenfenster, mithin die Begründung einer Gedenkstruktur zur Erinnerung an den katholischen Widerstand.
In Königswinter hat sich Gedenklandschaft in eine andere Richtung ausgeformt. In der Stadt befindet sich das Haus Schlesien, dem “Dokumentations- und Informationszentrum für schlesische Landeskunde”. Im Garten des Hauses und im weiteren Umfeld der Anlage befinden sich mehrere Gedenkobjekte, u.a. eine Glocke aus dem schlesischen Löwenberg. Glocken sind häufig anzutreffende Gedenkobjekte im Zusammenhang mit der Thematik Flucht und Vertreibung. Außerdem wird in Königswinter an einem I. WK-Denkmal die Separatisten-Thematik aufgegriffen, womit ein Alleinstellungsmerkmal des Rhein-Sieg-Kreises angesprochen wäre. Neben Königswinter sind entsprechende Objekte noch in Bad Honnef zu finden. Sie erinnern an die z.T. militärischen Auseinandersetzungen 1923, bei denen von mehreren politischen Gruppierungen der Versuch unternommen wurde, eine Republik Rheinland zu etablieren. Dieser Versuch wurde z.T. mit Waffengewalt niedergeschlagen.
In Siegburg finden sich über die ausdifferenzierte Gedenklandschaft zur NS-Verfolgung der jüdischen Bevölkerung hinaus drei Denkmäler, die das Thema Flucht und Vertreibung aufgreifen, zwei weitere Mahnmale, die an die NS-Zeit erinnern, und ein für das südliche Rheinland wichtiges Mahnmal auf dem Nordfriedhof, wo politische Gefangene nicht nur aus Siegen der Strafanstalt Siegburg beerdigt sind.
In Troisdorf und Windeck werden darüber hinaus durch entsprechende Gedenkobjekte den Zwangsarbeitern gedacht (in Windeck in Planung). In Windeck-Rosbach steht des Weiteren seit 1994 die Gedenkstätte “Landjuden an der Sieg”, die das jüdische Leben an der Sieg dokumentiert und damit einen Beitrag” zur Erinnerungsarbeit und öffentlichen Auseinandersetzung mit einem der verheerendsten Kapitel deutscher Geschichte” leisten will.
In Ruppichteroth gibt es zwei Besonderheiten, die über den Rhein-Sieg-Kreis hinausweisen. Da ist zum einen eine Gedenktafel in Ruppichteroth, St. Severin am Burgplatz. Auf dieser Tafel werden die Namen der jüdischen Mitbürger aus Ruppichteroth genannt, die 1941/42 deportiert und ermordet wurden. Die namentliche Nennung hat Alleinstellungsmerkmal im Rheinland (ähnlich in Kerken-Aldekerk, im Landkreis Kleve, dort aber unter der irreführenden Inschrift “Opfer in der Heimat”).
Die zweite Besonderheit ist die Unterschutzstellung von Flugbomben V 1 Stellungen in Ruppichteroth-Bornscheid, -Hatterscheid und -Kuchem. Wie schon bei den Bunkern und den jüdischen Friedhöfen tritt hier die Frage auf, ob es sich bei dem Gedenkobjekt um ein Mahnmal handelt, weil es unter Denkmalschutz gestellt wurde. Die bloße Unterschutzstellung dürfte nicht hinreichend sein, um es zu den hier aufgeführten Gedenkobjekten zu subsumieren. Gleichwohl könnte eine Begründung dieser Unterschutzstellung so formuliert werden, dass es zu den hier behandelten Mahnmalen gehört. So einleuchtend dies bei jüdischen Friedhöfen ist, so schwierig ist es bei Bunkern und eben diesen Geschützanlagen. Es handelt sich nicht um Feuerstellungen. Da die Flugbomben lediglich eine Reichweite von unter 400 Kilometer hatten, waren sie in der Normandie stationiert oder wurden von Flugzeugen aus abgefeuert. In der Begründung der Unterschutzstellung heißt es u.a.: “… sie [diese Waffen, d. A.] dokumentieren den sinnlosen Versuch des NS-Regimes, durch propagandistisch aufgebauschte ‚Wunder‘- oder ‚Vergeltungswaffen‘ den verlorenen Krieg zu verlängern.” Eine ähnliche Anlage steht in Eitorf-Hönscheid.
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Gedenkinfrastruktur – im Gegensatz zu der sehr unterschiedlich ausgeprägten zur NS-Zeit – zum Weltkriegsgedenken im Rhein-Sieg-Kreis flächendeckend ausgebaut ist. Darüber hinaus existieren noch zwei Befreiungskriege-Denkmäler (in Königswinter und Siegburg) und mehrere Einigungskriege-Denkmäler u.a. in Hennef, Königswinter und Bornheim. In Troisdorf ist im Stadtarchiv eine Besonderheit einzusehen: Ein individuell gestaltetes Gedenkbuch, das die im I. Weltkrieg verstorbenen Troisdorfer Soldaten auflistet und mit weiteren sehr detaillierten Informationen versieht, wie die erlittenen Verletzungen, an welchen Einsatzorten sie gekämpft haben, eventuelle Ordensverleihungen und Fotos.
Hans Hesse